Schwitschen, 11.09.17. (sk) Fand Ende Oktober noch die Besichtigung des Rüstwagens statt (wir berichteten: „Rollende Werkstatt fährt zum Schwitscher Gesamtwehrdienst„), so stellten die Schwitscher Kameraden sich am Samstagmorgen von 9-13 Uhr der praktischen Übung: „Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person.“
Auch dieses Mal brachten Sascha Neumann und Florian Pahl aus der Ortsfeuerwehr Visselhövede wieder neben dem Rüstwagen ebenso gute Laune und eine umfangreiche Aufgabenstellung mit.
Passenderweise stand auf dem Schwitscher Feuerwehrhof auch schon ein betagtes Auto bereit sich den motivierten Kameraden mit teils schweren Gerät zu stellen (und nachzugeben).
Bei aller gebotenen Eile, der strukturierte und sichere Ablauf
Trotz des Schwerpunktes mit technischen Gerät wie z.B. hydraulischen Spreizer und der Schere am Fahrzeug effizient und schnell arbeiten zu können erfordert es auch, wie bei allen Einsätzen, dafür einen strukturierten Ablauf im Kopf zu haben und umzusetzen.
„So ist der Faktor Sicherheit niemals zu vernachlässigen“ so Florian Pahl.
Die Einsatzstelle ist ggf. sofort vor fließenden Verkehr abzusichern und der Brandschutz sicherzustellen.
Parallel dazu wird schon einmal eine Plane nahe des Arbeitsbereiches gelegt und alle benötigten Einsatzmittel dort positioniert. In diesem Zeitfenster kann der Gruppenführer bereits die erste Lageerkundung vornehmen und den Rettungsweg zur eingeklemmten Person koordinieren.
Ob ein Einsatz mit eingeklemmter Person möglichst schonend für diese ablaufen soll, oder aufgrund eines kritischen Gesundheitszustandes diese möglichst schnell aus dem Fahrzeug befreit werden muss, entscheidet zumeist der Notarzt.
Für einen Gruppenführer bedeutet dies „möglichst immer ein Plan B im Hinterkopf zu haben“ so Neumann. Bei dieser Übungslage wurde von einer „patientenschonenden Rettung“ ausgegangen.
Das der Faktor „Sicherheit“ nicht beim Absperren der Einsatzstelle endet, sondern sich hier wie ein roter Faden durch die gesamte Einsatzübung zieht, zeigte Sascha Neumann gleich zu Anfang in der Praxis auf:
„Für ein sicheres Arbeiten mit möglichst wenig Erschütterungen für die eingeklemmte Person ist es erforderlich das Fahrzeug zu stabilisieren“
So stellte sich der erste Schwitscher Kamerad dieser Aufgabe und hob mit dem hydraulischen Spreizer das Fahrzeug vorsichtig an den Seiten an. Ein Weiterer konnte dann dieses mittels Holzbohlen „aufbocken“.
Da parallel dazu auch immer die erste Maßnahme „Retten“ darstellt, galt es einen Weg zur eingeklemmten Person zu schaffen um, falls nicht schon durch Ersthelfer oder dem Rettungsdienst geschehen, „Erste-Hilfe“ zu leisten. Dazu gehört auch das Betreuen bzw. reden mit der Person.
Der Weg zur eingeklemmten Person
Der Zugang zum inneren des Autos gestaltete sich als schwierig, da alle Türen samt Heckklappe verkeilt waren. Dies ließ sich (rein zufällig natürlich) praktischerweise durch das Abschließen des Autos passend darstellen. Hierfür hatte Pahl gesorgt, samt Warnblinklicht und laufenden Scheibenwischer.
Es wurde als Rettungsweg der Zugang über den Kofferraum gewählt.
Unter Einsatz eines Federkörners konnte die Heckscheibe mit minimalen Krafteinsatz zügig in kleine Sicherheitsglasstücken zerbrochen werden.
Vor dem Einstieg über die Heckklappe wurde eine Wolldecke über den kaputten Glasrand gelegt.
Um nun die eingeklemmte Person möglichst schonend dem Rettungsdienst übergeben zu können, soll diese möglichst wenig bewegt und in gerader Lage aus dem Auto transportiert werden. Dies ist zum Beispiel aufgrund von Verletzungen im Bereich der empfindlichen Wirbelsäule notwendig.
Hierzu wird das Dach des Fahrzeuges abgenommen, um die Person über den Autositz von hinten nach oben „rauszuziehen“. Es wird hierzu hinter diese ein Rettungsbrett oder gleich eine spezielle Trage vom Rettungsdienst geschoben zur Stabilisierung.
Da die zu rettende Person zu diesem inszenierten Verkehrsunfall leider verhindert war, (was wir uns bei realen Verkehrsunfällen immer wünschen würden), wurde dies in der Theorie durchgegangen.
Alle Autoscheiben müssen raus
Bis es aber zum Transport der Person kommt, müssen vorher noch alle Scheiben aus dem Auto entfernt werden. Dies ist erforderlich um Platz für die hydraulische Schere zu machen, für das Schneiden an den Säulen zur Dachabnahme. Dies ist notwendig, da das Glas durch das Verkeilen der Autoteile unter Spannung stehen kann. Bei Arbeiten mit dem Rettungsgerät könnte es unkontrolliert zerspringen, auch im Bereich der verletzten Person oder der Rettungskräfte.
Um nun möglichst wenig Glassplitter in das Auto fallen zu lassen drückte der im Auto befindliche Schwitscher Kamerad, mit Gesichtsvisier ausgestattet und unter Einsatz einer Fußmatte, leicht von innen gegen die Scheibe. Ein weiterer setzte von außen derweil den Federkörner ein.
Die eingeklemmte Person wird in diesem Falle bei Arbeiten in Ihrer Nähe natürlich ebenfalls mit einem Schutzhelm oder einer Decke geschützt. Dies trägt auch unter anderen zum Wärmeerhalt bei kälteren Temperaturen bei. Eine zusätzliche günstige Positionierung der auf dem Rüstwagen befindlichen leistungsstarken Scheinwerfer kann hier nützlich sein, aufgrund der daraus entstehenden Wärmeabgabe.
Der Fahrerairbag und die Frontscheibe
Durch die Arbeiten am Fahrzeug bestand auch die Möglichkeit das der Fahrerairbag im Lenkrad noch auslösen könnte. Somit erklärte Florian Pahl den Schwitscher Kameraden den korrekten und vorsichtigen Einsatz einer Airbag-Spinne, die um das Lenkrad befestigt wird.
Diese soll somit die eingeklemmte Person und die Rettungskräfte durch ein unkontrolliertes Auslösen schützen.
Die Frontscheibe stellte eine gesonderte Aufgabenstellung für die Schwitscher Kameraden dar.
Die Scheibe besteht aufgrund der Belastungen durch die Autofahrt nicht aus Sicherheitsglas, sondern Verbundglas. Dies zerfällt eben nicht zügig in kleine Stücke, wenn man mit dem Federkörner ansetzen würde.
Hier konnten die Schwitscher den Einsatz des „Glasmasters“ üben.
Einfach ausgedrückt eine Glassäge zum Schneiden von Verbundglas-Autoscheiben. Da beim Arbeiten sehr feiner Glasstaub entsteht der nicht gesund für die Atemwege ist, wird hier zusätzlich zum Geschichtsvisier noch ein Mundschutz getragen.
Schweres Gerät für ein „leichteres“ Arbeiten
Wie man am schnellsten und effizientesten die Türen und das Dach abnimmt erklärte Sascha Neumann den Schwitschern, während diese eifrig mit dem hydraulischen Spreizer und der Schere zu Werke gingen.
Ein Zusammendrücken des Kotflügels mit dem Spreizer am Fahrzeug schaffte in diesem Falle einen Spalt im Bereich der Scharniere der Vordertür. Dank diesen konnten dann unter weiterer Verwendung des Spreizers die zwei Tür-Scharniere freigedrückt werden.
Einmal noch am Ende der Autotür angesetzt und das Gerät auf maximale Breite ausgefahren und die Tür konnte von zwei weiteren Kameraden zur Seite geschafft werden.Auch hier galt erneut der Faktor Sicherheit: Alle Arbeiten am Fahrzeug werden nur mit Gesichtsvisier durchgeführt und es ist auf ein richtiges Anfassen zu achten, um sich nicht die Finger einzuklemmen. Weiter ging es mit dem hinteren Türen.
Um noch mehr Platz zum Arbeiten an dem/der Verletzten zu schaffen, wurde von Neumann auch gezeigt wie man die B-Säulen des Autos mittels der hydraulischen Rettungsschere entfernt.
Ein Blick auf das Sicherheitsdatenblatt des Fahrzeuges verriet hierbei zum Bespiel auch wo die Gurtstraffer an der B-Säule saßen. In diese sollte man nicht schneiden, da hier der Gasgenerator beschädigt und ausgelöst werden könnte.
Gleiches galt für die Heckklappe und deren Hydraulikdämpfern bei diesem Fabrikat.
Dies gibt eine ziemliche Sauerei, wenn das Hydrauliköl in Folge eines falsch angesetzten Schnittes austritt.
Das Dach wurde, von dem Informationsumfang der noch immer nicht ermüdeten Schwitscher Kameraden (im Gegensatz zum Leser ;), nun abgenommen. Die dadurch entstandenen scharfen Säulenkanten wurden abgedeckt. In diesem Falle durch Schlauchreste. „Alternativ hierzu lassen sich hier auch zumeist Verkehrsleitkegel gut nutzen“ so Pahl.
Das Ziehen des Lenkrades und der Entlastungsschnitt
Nach einer kurzen Kaffee- und Regenpause ging es dann noch mit der praktischen Erklärung, die durch die Schwitscher umgesetzt wurde weiter, wie man das Lenkrad durch den Einsatz von Spreizer und Kette noch weiter nach oben drücken kann. Dies ist zum Beispiel erforderlich, wenn dieses durch einen Aufprall nach unten gedrückt und der Fahrer einklemmt wurde.
Zu guter Letzt wurde der „Entlastungsschnitt“ einmal erprobt.
Dieser dient dazu falls beim Arbeiten der Rettungskräfte noch mehr Platz im Fahrer- und Beifahrerbereich benötigt wird.
Hierzu wurde auf beiden Seiten mit der hydraulischen Rettungsschere ein Schnitt in den vorderen unteren Türrahmenbogen gesetzt. Im Anschluss daran wurden hydraulische Rettungsstempel auf beiden Fahrzeugseiten auf dem Karosserierahmen von der Vordertür bis zur B-Säule aufsetzt und befestigt. „Die Aufgabenstellung hierbei ist dafür zu sorgen, dass beide Stempel im Wechsel möglichst gleich den Druck auf die vordere Motorraumkarosserie auswirken.“ so Neumann.
Dies konnte in diesem Falle gut „umgesetzt“ werden, durch eine Person die sich zentral positioniert, um den Blick auf beide Seiten zu haben. Diese zeigt mit seinen Armen je nach Situation nach rechts oder links, um den Maschinisten aufzuzeigen welchen Knopf er drücken muss. Das Drücken der Knöpfe gibt dann den Druck an die zwei Stempel weiter, die an jeweils einer Hydraulikleitung angeschlossen sind.
Zum Abschluss
Im Anschluss konnten die Schwitscher Kameraden noch den Umgang mit weiteren Einsatzmitteln, wie zum Beispiel dem Pedalschneider üben.
Bevor es an das Ein- und Aufräumen ging, gab es noch eine gemeinsam eingenommene Erbsensuppe im Schwitscher Feuerwehrhaus zum Mittag.
Hier konnten in lockerer Atmosphäre offen gebliebene Fragen oder Ideen rund um die durchgeführte technische Hilfeleistungsübung besprochen werden.
Der ebenfalls wieder anwesende Ortsbrandmeister und bei dieser Übung eingesetzte Maschinist Torben Beutner dankte Sascha Neumann und Florian Pahl, wie auch seinen Kameraden für die Anwesenheit und Ihr Interesse an der Übung.